„Es geschah, als sie dort waren, da erfüllten sich die Tage, dass sie gebären sollte, und sie gebar ihren Sohn, den Erstgeborenen. Sie wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe, weil in der Herberge kein Platz für sie war.“ Lk 2,6f
„Wir sind im Geheimnis der Inkarnation angelangt: ein Gott, der schon immer war und der einen Leib annehmen will, um geboren zu werden, das ist unbegreiflich… Wenn wir doch die Liebe eines Gottes in der Inkarnation verstehen könnten! Alle Größe Gottes ist verborgen im Leib eines Kindes…“ °Pfr. von Ars
Das Geheimnis der Menschwerdung Gottes hatte im Leben des Heiligen Pfarrers von Ars eine überragende Bedeutung und doch sind keine Predigttexte hierüber überliefert mit Ausnahme des obigen gekürzten Zitates. Sein Staunen über dieses Geheimnis und seine Anbetung des Kindes in der Krippe waren im Zentrum seines Lebens.
Maria hatte für die Geburt ihres Kindes in Nazareth alles vorbereitet und nun musste sie wegen des Steuererlasses des Kaisers Augustus mit Josef nach Bethlehem gehen. Das war eine unverhoffte gewaltige Zumutung. Kein Wort der Klage von Maria oder Josef wird berichtet. Sie folgen dem Befehl und erfüllen so, ohne es wissen, den Willen Gottes. Denn Jesus sollte in Bethlehem geboren werden.
Wie oft sind wir irritiert über unverhoffte Situationen, die völlig unerwartet und scheinbar zu einem ganz ungünstigen Zeitpunkt eintreffen.
Diese Erfahrung hat auch der Heilige Pfarrer schon am Beginn der Wallfahrten gemacht. Mitten in der Nacht klopfte jemand heftig an seine Tür und forderte laut, dass er herunterkommen solle. Vianney war sehr erstaunt und antwortete zunächst nicht. Erst nach einer weiteren Aufforderung öffnete er die Tür. Ein großer Kerl stand ihm gegenüber und forderte ihn auf, mit ihm zur Kirche zu gehen, da er beichten wollte und zwar sofort. „Kommen Sie, mein Freund“, antwortete Vianney. Er nahm ihm die Beichte ab, umarmte ihn und, da er sah, wie erkältet er war, gab er ihm Strümpfe und Schuhe°².
Vianney hatte begriffen, dass in einer unerwarteten Störung Begegnung mit Gott geschehen kann. Gott ist in Seinen Plänen nicht berechenbar.
Jesus wollte in der Armut eines Stalls zur Welt kommen, weil in der Herberge kein Platz für Ihn war. Wäre denn für den König der Könige ein Platz im Palast des Herodes gewesen? Dort wird Er doch später mit Verachtung und Spott empfangen (Lk 23, 11).
Wäre denn für den ewigen Hohenpriester ein Platz im Tempel gewesen, der ein Haus des Gebetes für alle Völker sein sollte, aber mittlerweile zu einer Räuberhöhle gemacht wurde (Mk 11, 17)?
So wollte Jesus ganz im Verborgenen zur Welt kommen, damit alle, die sich ihrer Armut bewusst sind, Ihn finden können. Aber schauen wir nicht auf Herodes und die Hohenpriester. Schauen wir auf uns selbst! Ist bei uns nicht auch manchmal jeder Platz besetzt durch Aufgaben und Geschäftigkeit? Und bleiben wir vielleicht in einer feierlichen Heiligen Messe bei der Schönheit der Musik stehen statt wahrhaftig dem verborgenen Gott zu begegnen? Der Herr macht uns keine Vorwürfe. Er kennt unsere Schwachheit und sehnt sich in unendlicher Liebe nach jedem Menschen. Er zeigt uns in Seiner Geburt, wie wir Ihm begegnen können, in unerwarteten Erlebnissen, in tiefer Verborgenheit. Dort können wir Ihn mit Maria und Josef anbeten und Ihm die Ehre erweisen. Der Heilige Pfarrer von Ars nehme uns an die Hand und führe uns zur Krippe.
23.11.2025 ih
Aus: Mgr René Fourrey, Ce que prêchait le Curé d’Ars, 2009,S.39f, übersetzt ih
°²Joseph Vianey, Le Bienheureux Curé d’Ars, 1923, S. 119
