„Als Johannes sah, dass viele Pharisäer und Sadduzäer zur Taufe kamen, sagte er zu ihnen: Ihr Schlangenbrut, wer hat euch denn gelehrt, dass ihr dem kommenden Zorngericht entrinnen könnt? Bringt Frucht hervor, die eure Umkehr zeigt,“ Mt 3,7f
„Gott lieben heißt nicht nur, ihm mit dem Munde sagen: Mein Gott, ich liebe dich. Gott lieben aus ganzem Herzen, aus ganzer Seele, aus allen Kräften, heißt, ihm überall den ersten Platz einräumen, es heißt bereit sein, eher seine Güter, seine Ehre, ja sogar sein Leben zu verlieren als ihn zu beleidigen.“ °Pfr. von Ars
Die Worte Johannes des Täufers gegenüber den Pharisäern und Sadduzäern sind schon fast unerträglich heftig. Kein Prediger könnte heute eine Gemeinde so ansprechen, ohne eine Flut der Empörung auszulösen. Wenn aber daraus geschlossen wird, dass die Heftigkeit des Johannes so ganz im Gegensatz zur Barmherzigkeit Jesu steht, können wir uns dabei nicht auf die Bibel berufen. „Weh euch, ihr Schriftgelehrten und Pharisäer, ihr Heuchler! Ihr verschließt den Menschen das Himmelreich. Denn ihr selbst geht nicht hinein und lasst die nicht hineingehen, die hineingehen wollen (Mt 23,13).“
Der Evangelist Matthäus kannte die jüdischen Verhältnisse gut und richtete sich in seinem Evangelium vor allem an jüdische Zuhörer. Seine starken Worte gegen die Pharisäer können uns aber nicht zu der Meinung verleiten, dass andere nicht damit gemeint sind.
Lukas berichtet, dass Johannes diese Worte an die Volksscharen, die zu ihm kamen gerichtet hat, also an alle (Lk 3,7ff).
Jesus kam auf die Welt, um die Menschen zur ursprünglichen Freundschaft mit Gott wieder zurückzuführen, und zwar um den Preis Seiner Menschwerdung mit der Geburt in der Krippe und dem Tod am Kreuz .
Als Jesus von einem Gesetzeslehrer gefragt wurde, welches Gebot im Gesetz das wichtigste ist, antwortete er: „Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit deinem ganzen Denken (Mt 22,37).“ Diese Worte finden sich im Gebet „Höre Israel…(Dtn 6,4)“, das jeder Jude zweimal täglich morgens und abends gebetet hat. Es geht also um nichts weniger als Gott voll und ganz auf den ersten Platz des Lebens zu stellen mit allen Konsequenzen. Der Pfarrer von Ars hat die reine Liebe zu Gott ebenfalls mit diesen Worten gelehrt.
Aber was heißt das nun?
Umkehr betrifft uns alle. Die Pharisäer haben in größter Genauigkeit alle Gebote beachtet, aber dies diente ihrer eigenen Ehre und ihrem Ansehen im Volk. Damit haben sie Gott von der ersten Stelle verdrängt, ohne sich offensichtlich dessen bewusst zu sein. Die Heftigkeit der Worte soll aufrütteln, damit auch sie gerettet werden.
Schon bei Seiner Geburt zeigt der Herr, was Ihm wesentlich ist. Die Hirten auf dem Feld durften ihre Herde nicht verlassen, weil sie in Diensten der Reichen, der Pharisäer, standen, und konnten damit auch nicht am Gottesdienst im Tempel teilnehmen. Ihnen erschienen die Engel, die den Frieden verkündigten, und sie konnten als erste zum Kind in der Krippe eilen, um es anzubeten. Jesus wendet sich also denen zu, die ihre Armut vor Gott kennen. Und genau das unterscheidet sie von den Pharisäern.
Damit sind aber wir angefragt. Erheben wir uns in Gedanken nicht vielleicht doch auch immer wieder einmal unbewusst oder bewusst über andere, die ihre Religion abgelegt haben oder es nicht so genau nehmen? Vorsicht! Um nicht das Wort Wehe zu benutzen, das der Herr im Matthäusevangelium den Pharisäern dreimal entgegen geschleudert hat (Mt 23,13ff). Wir sind auf dem Weg zum Kind in der Krippe. Lassen wir uns belehren von den Hirten in ihrer Demut, in ihrer Einfachheit, in ihrer Hingabe an Gott, wenn Er ruft.
Der Pfarrer von Ars wird uns auf diesem Weg mit seiner Fürsprache begleiten, sodass wir die Liebe zu Gott wieder auf den ersten Platz in unserem Leben setzen.
30.10.2025 ih
Aus: Jean-Marie Vianney Pfarrer von Ars, hrsg. Bernard Nodet, 1959, S.90
