„Es war schon um die sechste Stunde, als eine Finsternis über das ganze Land hereinbrach – bis zur neunten Stunde. Die Sonne verdunkelte sich. Der Vorhang im Tempel riss mitten entzwei. Und Jesus rief mit lauter Stimme: Vater, in deine Hände lege ich meinen Geist. Mit diesen Worten hauchte er den Geist aus.“ Lk 23,44ff
„Am Tage des Gerichtes werden wir glücklich sein über unsere Leiden, stolz auf unsere Demütigungen, reich durch unsere Opfer.“ °Pfr. von Ars
Herr, du hast doch gesagt: „Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt folgt, wird nicht in der Finsternis umhergehen, sondern wird das Licht des Lebens haben (Joh.8,12). Nun aber herrscht drei Stunden Finsternis über das ganze Land ab der sechsten Stunde, also ab mittags um zwölf, wenn die Sonne am hellsten scheint, bis nachmittags um drei Uhr. Wo ist das Licht geblieben? In dieser Dunkelheit riss der Vorhang im Tempel mitten entzwei. Die Pforte zum Vater, die seit dem Sündenfall im Paradies verschlossen war, ist wieder geöffnet. Dies zeigt uns die Reaktion des heidnischen Hauptmanns, der im Dunkel Gott preist und bekennt: „Wirklich, dieser Mensch war ein Gerechter (Lk 23, 47).
Das Sonnenlicht ist ein Symbol für das Licht, das Gott allein ist. Dieses Licht kam in die Welt. „Und das Licht leuchtet in der Finsternis und die Finsternis hat es nicht erfasst (Joh1,5).“ Wenn das ewige Licht, das in Christus Fleisch angenommen hat, auf brutale Weise ausgelöscht wird, dann hat auch die Schöpfung kein Sonnenlicht mehr. Gottes Barmherzigkeit ist jedoch unendlich größer, als Menschen dies jemals verstehen können. Genau in dieser Dunkelheit, in diesem furchtbaren Kreuzestod, bricht das ewige Licht wieder in diese Welt hinein. Dieses Licht zerreißt nicht nur den Vorhang im Tempel, sondern auch die verschlossenen Herzen bei jedem, der es aufnehmen will. Es erreicht gerade im heidnischen Hauptmann jemand, der die Worte des Lebens an das israelitische Volk nicht gehört hat. So wie bei der Geburt die Weisen aus dem Morgenland den Herrn als erstes aus der Ferne aufgesucht haben, so geschieht auch dieses Wunder der Umkehr eines Fremden bei Seinem Tod.
Wir haben die Botschaft des Evangeliums gehört. Aber folgen wir wirklich Jesus nach? Sind wir wirklich in Seiner Nähe, zu der uns berufen hat? Angesichts des Todes des Herrn müssen wir uns dieser Frage stellen. Nachfolge des Herrn bedeutet mit freiem Willen in die vielen Dunkelheiten unseres Lebens mithineinzusteigen im Vertrauen, dass genau in der Annahme des Dunkels das Licht der Ewigkeit in uns hineinleuchtet und durch uns in andere.
Der Pfarrer von Ars kannte den Weg zum Licht durch Annahme der uns zugedachten Leiden, Demütigungen und Opfern. Allein sind wir dazu nicht fähig. In uns wehrt sich alles gegen Leid, Kreuz, Verachtung und Ablehnung. Aber ein Blick auf den Herrn mit der innigen Bitte um Hilfe wird immer mit einem Gnadenstrom des Lichts in unser Herz beantwortet. Vielleicht nicht gleich, vielleicht auch nicht nach Tagen, Jahren, aber ganz sicher in unserem Tod.
Diese Karwoche gibt uns Gelegenheit, alle unsere Dunkelheiten in das Dunkel zu legen, das der Herr in den drei Stunden am Kreuz durchlitten hat. Der Heilige Pfarrer möge uns beistehen, dass wir im Glauben daran festhalten, dass in diesem Akt der Hingabe Gottes Licht auf diese Welt strömt. So werden wir noch intensiver Ostern erleben können.
11.03.2025 ih
Aus: Jean-Marie Vianney Pfarrer von Ars, hrsg. Bernard Nodet, 1959, S.286